Kretschmer Michael 2019

"Ziel ist es, dass neue Arbeitsplätze entstehen"

MDR Aktuell: Herr Kretschmer, es ging bis tief in die Nacht, heute Morgen schon sehr zeitig am Telefon. Sie konnten wenigstens ein bisschen schlafen und auch gut oder haben Sie schlecht geträumt vom gefundenen Kompromiss?

Michael Kretschmer: Nein, es ist eine wichtige Entscheidung. Die Kohlekommission hat ja 2038 als Enddatum gesetzt und es ging darum eine Treppe zu finden, sukzessive die Kraftwerkskapazität zurückzufahren und die Bundesregierung hat uns ihre Pläne vorgestellt, was sie mit den Unternehmen verhandelt hat. Wir haben dann an der ein oder anderen Stelle nochmal eingegriffen, weil es auch regionale Interessen gibt, dass erst mal Strukturaufbau stattfinden kann von neuen Arbeitsplätzen. Ich denk, wir haben uns auf etwas Vernünftiges geeinigt. Mir geht es jetzt darum, dass jetzt aber auch wirklich dieser Kompromiss mitgetragen wird, auch von Umweltverbänden, dass anerkannt wird, hier wird sehr viel geleistet und dass wir jetzt mit ganzer Kraft daran gehen können, neue Arbeitskräfte aufzubauen.

Aber was ist denn anders als bei den anderen Einigungen, die es ja auch schon irgendwie gab? Sie wollten verbindliche Zusagen für Strukturförderung in den betroffenen Gebieten, so verbindlich, dass auch zukünftige Bundesregierungen nicht mehr daran herum zuppeln können. Sind diese Zusagen denn jetzt verbindlich?

Es wird eine Bund-Länder-Vereinbarung geben, in der das noch einmal gefasst wird. Wir haben uns auf konkrete Projekte verständigt, an den Standorten, an denen bisher Kraftwerke sind, soll auch in Zukunft die Möglichkeit für Gaskraftwerke bestehen. Wir haben für uns in Sachsen Forschungskapazitäten in Größenordnung gesichert, neue Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, damit wirklich zukunftsfähige Arbeitskräfte entstehen können und beim Thema Infrastruktur auch die Sorgen der Abgeordneten des Bundstages aufgenommen, dass nicht durch, diese ganz wichtigen Projekte - ICE-Verbindungen, Straßenverbindungen - an anderen Stelle möglicherweise zu Verzögerungen kommt, deswegen die klare Zusage der Bundesregierung Planungskapazitäten so aufzubauen, dass schnell unsere neuen Projekte realisiert werden können.

"Es geht jetzt darum, an die Arbeit zu gehen. Wir haben die Interessen der Region, der Menschen, der Mitarbeiter dort, mit ganzer Kraft vertreten."

Ministerpräsident Michael Kretschmer, Landesvorsitzender der Sächsischen Union

Ich will das Stichwort „Mitarbeiter“, das Sie jetzt gerade gebracht haben, nochmal kurz aufgreifen. Da war Ihnen ja auch wichtig, dass Beschäftigte in den Tagebauen und Kraftwerken, wenn sie ihren Job verlieren halt nicht ganz ohne dar stehen, Stichwort Anpassungsgeld. Das was da vereinbart wurde, ist das wirklich das, was sie wollten?

Wir wollen natürlich, dass neue Arbeitsplätze entstehen und dieses Instrument im Grunde genommen nicht genutzt werden muss. Es ist wichtig, dass es das gibt. Das gab es beim Ausstieg aus der Steinkohle. Auch hier hat die Bundesregierung sich jetzt klar dazu bekannt, dieses Anpassungsgeld auf den Weg zu bringen, dass diejenigen, die keine neue Arbeit finden, dieses Geld bekommen, dass sie ohne Sorge sein müssen. Aber das eigentliche Ziel muss darin bestehen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das Maßnahmenpaket, was wir vereinbart haben, auch mit der Europäischen Union, über zusätzliche Möglichkeiten der Förderung zu sprechen, damit diese Regionen ganz besonders attraktiv werden für Ansiedlungen. Das ist uns gelungen.

Eine Frage muss ich Ihnen ganz kurz stellen in Sachen Kraftwerk Schkopau, Abschaltung. Das lag Ihnen Amtskollegen Haseloff natürlich besonders am Herzen. Jetzt haben wir nicht ihn, sondern Sie am Telefon. Wissen Sie wie es da um die Abschaltung steht?

Ich habe das verstanden. Ich teile seine Einschätzung und auch hier gibt es eine Lösung, die die verschiedenen Interessen zum Ausgleich bringt. Wir sind eben auch für die Menschen da, die in diesen Regionen leben, die wir kennen. Das sind unsere Nachbarn und unsere Freunde. Wir haben mehr als einmal gesehen, welche Sorgen es da gibt und über dieses Thema, wie schaffen wir es, dass alle Regionen eine Chance haben, dass dort wirklich neue Dinge aufgebaut werden können, gerade auch im Burgenlandkreis, haben wir sehr sehr intensiv darüber gesprochen und eine vernünftige Lösung gefunden.

Und jetzt zum Schluss noch ein Thema. Sie sind gestern zitiert wurden, damit dass Sie sich auch Atomkraft künftig wieder vorstellen können. Heißt das, Sie sind dann doch noch ziemlich skeptisch, dass dieser komplette Umstieg auf erneuerbare Energien, wirklich gelingen kann?

Ich habe auf die Frage, ob es nicht so ist, dass in anderen Staaten in der Europäischen Union Atomkraft ausgebaut wird, wahrheitsgemäß geantwortet, dass das der Fall ist und dass das natürlich eine Energieform ist, die kein CO2 freisetzt und ich sehr der Meinung bin, dass die Deutschen in 10, 15, 20 Jahren noch die Möglichkeit haben können und müssen, diese Entscheidung für sich zu treffen. Deswegen müssen wir in der Forschung dabeibleiben, müssen da auch weiter Kapazitäten und Kompetenzen haben und dann werden die Menschen, in einigen Jahrzehnten möglicherweise, die Frage noch einmal neu beantworten müssen. Nur darum geht es. Zurzeit sehe ich keine gesellschaftliche Mehrheit für die Atomkraft in Deutschland, aber es kann sich ändern.